Abseits - Rettung um jeden Preis? Transparenz ist geboten ...

Veröffentlicht am 03.11.2016 in Lokalpolitik

Das Abseits-Rettungs-Ideen-Rad dreht sich immer schneller - ein Blick auf die Fakten ist geboten, damit man Realität, Wunschdenken und Legendenbildung auseinanderhalten kann:

Das "Abseits" war über Jahrzehnte eine beliebte Kneipe und ein unkonventionelles Kulturbiotop mit einem liebenswert alternativen Touch.
Leider wurde aber über die Jahrzehnte von Gästen, Betreibern und wohl auch vom Inhaber der Immobilie versäumt, in den langfristigen Erhalt des alten Gebäudes zu investieren, obendrein ging mit den Jahren auch die Bedeutung als Ort tragfähiger kultureller Ereignisse verloren – in den letzten Jahren war das Abseits eine cool-alternative Kneipe, nicht weniger, aber auch nicht mehr.
Weil die alten, irgendwie auch denkmalgeschützten Gemäuer nun marode sind und der Besitzer die Sanierungsinvestitionen in Millionenhöhe nicht tätigen wollte, da sie durch einen Kneipenbetrieb mit angeschlossenem, sporadisch bespieltem Kulturraum nicht zu kompensieren sind, wurde das Abseits geschlossen.
Ein rühriger Verein gründete sich, um die für die Abseitsgäste identitätsstiftende Kneipe zu erhalten. Er entwickelte schließlich auch ein Konzept für ein Kulturzentrum, das in der angedachten Form völlig neu ist.

Im Sommer 2016 wurde von Kommunalpolitikern die Idee ins Spiel gebracht, die Stadt Freising solle mit einem zinslosen Darlehen den Erwerb des Abseits-Areals durch den Verein Abseits e.V. ermöglichen – eine Idee, die in der angedachten Form weit über die bisher üblichen Förderinstrumente der Stadt Freising hinausgeht.
Das dazu vorgelegte Finanzierungskonzept – das insgesamt nur eine Seite umfasst – musste in mehreren Schritten nachgebessert werden. Der ursprüngliche Ansatz lag bei einem städtischen Darlehen von 1,2 Millionen, derzeit liegt der Ansatz bei 1,8 Millionen.

Der Finanzausschuss des Freisinger Stadtrats hat dieses Konzept mehrheitlich nicht gebilligt, und um diesen Schritt verstehen zu können, ist ein genauer Blick auf das Konzept nötig.

Finanzierungsberechnung des Abseits-Vereins
Kaufpreis:

Das Konzept nennt einen Kaufpreis von 1,1 Millionen für das Gesamtareal.
Die Frage ist: Liegt diese Zahl als Angebot schriftlich vor? Gibt es eine belastbare Zusage in diese Richtung?
Der Eigentümer Graf Moy setzte zunächst einen Preis von wohl 1,8 Millionen an, senkte diesen dann auf 1,5 Millionen und stellte einen letzten Nachlass von 100.000 Euro in Aussicht. Das macht in Summe immer noch 1,4 Millionen, liegt also um 300.000 Euro über der Kalkulation.
Für einen Stadtrat, der seine Verantwortung für das Wohl der Stadt ernst nimmt, ist das ein gravierender Mangel im Finanzierungskonzept, der allein eine Zustimmung quasi schon unmöglich macht.

Renovierung Kneipe und Wohnungen:
Das Konzept setzt hierfür 1 Mio. an. Der Abseits-Verein räumt dankenswerterweise ein, dass die Summe auch höher liegen könnte, hofft aber darauf, Mehrkosten durch intensivere Eigenleistungen auffangen zu können.
Allerdings ist völlig unklar, wie belastbar die Schätzung ist. Wer hat die Schätzung vorgenommen, ist sie von unabhängiger Seite erfolgt? Hat es bereits Voruntersuchungen gegeben? Was ist mit welchem Ergebnis untersucht worden, was noch nicht? Sind diese Untersuchungen von unabhängiger Seite erfolgt? An wem bleiben höhere Kosten hängen, wenn der Verein sie doch nicht durch vermehrte Eigenleistung auffangen kann?
Ist der Sachverhalt bereits eingepreist, dass zumindest Teile des Gebäudekomplexes anscheinend Denkmalcharakter haben oder sogar unter Schutz stehen?
Diese Fragen sind von entscheidender Bedeutung für eine Darlehensvergabe. Solange diese Fragen offen sind, bleibt einem Stadtrat nur die Ablehnung.

Option Renovierung Eishauskeller:
Dieser Posten, veranschlagt mit 400.000 Euro, bleibt völlig unklar.
Da der Eishauskeller ein wesentlicher Bestandteil des Kulturkonzepts ist, muss er renoviert werden. Wieder stellen sich die Fragen: Wer hat geschätzt? Was ist untersucht worden, was noch nicht? Von wem wurde geschätzt und untersucht?
Auch hier kann ein verantwortungsbewusster Stadtrat nicht einfach zustimmen.

Verkauf Wohnhaus Poststraße:
Hier veranschlagt der Verein eine Einnahme von 300.000 Euro.
Bislang ist der öffentlich bekannte Informationsstand allerdings der, dass der Verein nichts aus dem Abseits-Areal veräußern darf. Gibt es eine Zusage von Graf Moy, dass doch ein Teil des Areals veräußert werden darf?

Finanzierung:
Zur Finanzierung nennt das Konzept – neben dem städtischen Darlehen – Eigenkapital in Höhe von 255.000 Euro und Privatdarlehen in Höhe von 200.000 Euro.
Liegen dazu Nachweise vor?

Belastung:
Die ausgewiesenen Zahlen zur Belastung für Zins und Tilgung auf Privatdarlehen sowie zur Tilgung des beantragten zinslosen städtischen Darlehens bedürfen der Überprüfung durch Fachleute, um erkennen zu können, ob sie realistisch sind.
Hat eine solche Überprüfung stattgefunden?
Ohne sie ist das Finanzierungskonzept nicht zustimmungsfähig.

Es fehlen im Rahmen der Belastungen die Aufwendungen, die der Verein für den Kulturbetrieb tätigen muss: Strom, Wasser, sanitäre Einrichtungen, Reinigungsdienst, Verwaltung, Bewirtschaftung, Personal etc. – zu all diesen Positionen ist nicht bekannt, wie eine Finanzierung aus dem laufenden Betrieb erfolgt, mit welchen Aufwendungen dafür der Verein rechnet und inwieweit ehrenamtliche Arbeit einkalkuliert wird.

Einnahmen:
An Einnahmen rechnet der Abseits-Verein mit 2.800 Euro monatlich aus der Verpachtung der Kneipe, mit 800 Euro Pachteinnahmen aus dem Kulturzentrum Eiskellerhaus und mit Mieteinnahmen aus den im Gebäude befindlichen Wohnungen von 1.500 Euro (was einen fairen Mietpreis auf dem überhitzten Freisinger Wohnungsmarkt bedeuten würde!).
Hier ist ungeklärt, ob diese angesetzten Pachteinnahmen realistisch sind und wo sie im Vergleich mit anderen Kneipen liegen.
Keine Angaben finden sich zu den erwarteten Einnahmen aus dem Kulturbetrieb.
Auch hier ist das Konzept nicht zustimmungsfähig, solange die offenen Fragen nicht geklärt sind.

Resümee:
Das vorgelegte Finanzierungskonzept enthält derart viele offene zentrale Fragen, dass es als absolut unzureichend einzustufen ist, wenn man seine Verantwortung als Stadtrat ernst nimmt und sich nicht nur als Lobbyist für eine (gute) Sache versteht.
Derzeit ist damit zu rechnen, dass ein einmal bewilligtes Finanzierungskonzept dazu führen würde, dass die Stadt Freising erhebliche Mittel nachschießen müsste, sodass das Darlehen am Ende in Summe eher 2,5 Millionen, vielleicht sogar drei Millionen beträgt.
Die Fragen des Denkmalschutzes und der Sicherheiten für die Stadt Freising sind dabei noch gar nicht andiskutiert.

Rechtliche Grundlagen:
Die Ausreichung eines zinslosen städtischen Darlehens in dieser Höhe und über einen Zeitraum von voraussichtlich 40 Jahren ist rechtlich absolut klärungsbedürftig.
Meines Wissens steht eine solche Klärung immer noch aus.
Mitglieder des Stadtrates müssen vor einer Abstimmung über ein solches Finanzierungskonzept darauf dringen, dass die rechtliche Zulässigkeit vorab geklärt wird. Stadtrat, Verwaltung und Oberbürgermeister handeln in einem rechtsstaatlichen Rahmen, sie dürfen keinesfalls den fatalen Eindruck erwecken, zur Not könne man auch an der Rechtsordnung vorbei handeln, um seinen Kopf durchzusetzen.

"Äpfel und Birnen" – Vergleich mit anderen Förderinstrumenten:
Es ist richtig, man kann Sportstätten und Kultureinrichtungen nicht direkt miteinander vergleichen. Trotzdem ist es unbestreitbar, dass die städtischen Förderinstrumente für die verschiedenen Bereiche des kommunalen öffentlichen Lebens (Sport, Kultur etc.) in einem Verhältnis zueinander stehen müssen.
Den Unterstützern des Abseits-Darlehens muss klar sein, dass der befürwortete Umfang der Förderung durch ein zinsloses städtisches Darlehen alles sprengt, was bisher an städtischer Förderpolitik üblich war. Zugleich muss klar sein, dass es an einem Regelwerk für die Förderung kultureller Einrichtungen fehlt, dass ein solches also geschaffen werden muss, ehe man zu fördern beginnt. Und ein solches Regelwerk muss berücksichtigen, dass dann auch andere gastronomische Einrichtungen (und eine solche war das Abseits nun einmal im Wesentlichen) mit angeschlossener kulturell nutzbarer Räumlichkeit ein Anrecht darauf haben, ebenfalls in hohem Umfang gefördert zu werden.
Und schließlich muss die Verhältnismäßigkeit in Bezug auf die Einrichtungen des Breitensports gewahrt sein.

Ein zinsloses städtisches Darlehen in Höhe von am Ende mehr als zwei Millionen Euro für den Abseits-Verein ist eine Ohrfeige für all die Sportvereine, die sich für ihre Investitionen krumm legen müssen und in der Vergangenheit immer akzeptiert haben und akzeptieren mussten, dass es für städtische Förderung eine deutlich niedrigere Obergrenze gibt.

Kulturzentrum und Stadtteil-Mitte:
Je länger die Diskussion um die Rettung des Abseits dauert, desto mehr hat sich die um die Rettung herum erzählte Geschichte verändert.
Anfangs ging es um den Erhalt einer liebenswerten Kneipe, eines ganz besonderen sozialen und kulturellen Biotops. Mit dieser Geschichte war und ist ein zinsloses städtisches Darlehen in Millionenhöhe aber nicht zu rechtfertigen.

Nun ist im Laufe des Jahres die Geschichte vom alternativen (Sub-)Kulturzentrum entstanden. Ein sicher reizvoller und von denen, die es damit ernst meinen, gut gemeinter Gedanke, der aber völlig auf die vage Hoffnung baut, denn ein solches aktives und lebendiges Zentrum hat es im Abseits, wenn überhaupt, vor Jahrzehnten gegeben, aber nicht in jüngerer Vergangenheit. Was dort kulturell geplant ist, muss völlig neu entwickelt werden. Es kann gelingen, es kann aber auch misslingen, und dann sitzt die Stadt auf einer Fehlinvestition, zu der sie nicht gezwungen war.

Ganz neu ist jetzt die Erzählung vom Neustifter Stadtteilzentrum – eine wohlklingende Floskel, die als attraktive Verpackung dienen soll, um Zustimmung zu erzeugen und kritische Stadträte in ein Licht zu rücken, als wollten sie den Stadtteil Neustift verhungern lassen.

Hinter diesen Erzählungen verbirgt sich jedoch der unbedingte Wille, den Erhalt der Kneipe durchsetzen zu wollen. Und da man die dazu nötigen Beziehungen hat und auch über eine gewisse Entscheidungsmacht verfügt, versucht man es halt.

Fazit:
Wenn die Stadt Freising finanziell etwas leisten kann, dann im Rahmen der Verhältnismäßigkeit. Das heißt, sie orientiert sich an der Förderung im Bereich des Sports und konzentriert sich ausschließlich auf den Bereich des öffentlichen Interesses, nämlich des Kulturzentrums, wie schwer dieser auch abzugrenzen sein wird.
Alles, was darüber hinaus geht, ist ein finanzielles Abenteuer und eine Gefälligkeitslösung.

Ein Ausweg aus dem Dilemma könnte die ins Spiel gebrachte Erbpachtlösung sein.
Doch auch da wird es auf die Details ankommen – ich bin gespannt darauf!

 

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